Was ist Digitalisierung? Wie setzt man sie um und was erhofft man sich davon – solche und ähnliche Fragen stehen in vielen Unternehmen ganz oben auf der Tagesordnung – oder etwa nicht? Eine Studie im Auftrag von PLM-Anbieter Aras zeigt, dass es bei dem Thema nicht an Erkenntnis mangelt, aber die Umsetzung teils noch erschreckend weit dahinter herhinkt – und das gerade in der DACH-Region (Deutschland. Österreich, Schweiz). Die europäische Industrie überschätzt ihren digitalen Reifegrad.
Obwohl sich acht von zehn Unternehmen bereits als digitales Industrieunternehmen bezeichnen, zeigt ein Blick hinter die Kulissen: Die Nutzung und Analyse wichtiger Produkt- und Prozessdaten wird vernachlässigt oder ist aufgrund inkompatibler Systeme noch gar nicht möglich. Das verzerrte Selbstbild ist gefährlich und schränkt den Handlungsspielraum ein. Dabei stehen die Unternehmen unter hohem Anpassungsdruck. Neun von zehn Industriebetrieben erwarten, dass sich ihr Geschäftsmodell in den kommenden Jahren weiter verändern wird, wie die aktuelle Studie „Europas Industrie im Wandel“ zeigt. Im Auftrag der Produkt-Innovations-Plattform Aras wurden mehr als 440 Top-Entscheider aus 19 europäischen Ländern befragt.
„Die wachsende Menge an Daten im unternehmerischen Alltag führt offenbar zu einer Selbstüberschätzung“, sagt Jens Rollenmüller, Geschäftsführer von Aras Deutschland. „Wenn sich 82 Prozent der Studienteilnehmer bereits als digitales Industrieunternehmen bezeichnen, ist hier wohl eher der Wunsch Vater des Gedankens.“ Das Stimmungsbild sei zu positiv und blende die bisherigen Versäumnisse aus. „In der Realität sind die Unternehmen noch nicht so weit. Sie verstehen unter Digitalisierung oft nur eine breite Datensammlung oder den digitalen Versand von Daten. Die tatsächlichen Möglichkeiten bis hin zu neuen, digitalen Geschäftsmodellen werden aber noch nicht ausgeschöpft“, so Industrie-Experte Rollenmüller weiter.
Zwar sagen 78 Prozent der Befragten, dass jeder in ihrem Unternehmen Zugriff auf die Produktdaten habe, die er für seine Arbeit benötige. Gleichzeitig räumen aber 62 Prozent eine schlechte Qualität dieser Daten ein. Und 79 Prozent beklagen eine Silostruktur, also dass die Informationen in abgeschotteten Systemen an verschiedenen Stellen im Unternehmen liegen. Aras-Geschäftsführer Rollenmüller sieht die Industrie daher erst am Anfang ihrer Reise in die Digitalisierung: „Um langfristig konkurrenzfähig zu bleiben, müssen die Unternehmen versteckte Potenziale heben. Das gelingt nur, wenn vorhandene und neue Daten analysiert und miteinander in Beziehung gesetzt werden. Das setzt digital abgebildete Produkte und Lieferketten voraus, die im nächsten Schritt dann zu einem echten digitalen Zwilling weiterentwickelt werden können.“
Nach Ansicht von Branchenkenner Rollenmüller müssen die Unternehmen die Versäumnisse der Vergangenheit so schnell wie möglich aufholen. Denn die anstehenden Veränderungen setzen die Branche unter hohen Transformationsdruck. So gehen 87 Prozent der Befragten davon aus, dass sich ihr Geschäftsmodell in den nächsten Jahren weiter verändern wird. Jens Rollenmüller: „Der Wandel ist in vollem Gange. Immer mehr Unternehmen setzen bereits auf eine moderne Produktwelt. So bieten laut unserer Studie 36 Prozent der Unternehmen bereits PaaS-Lösungen (Product-as-a-Service) an, 35 Prozent befinden sich in der Umsetzungsphase dazu und 15 Prozent planen dies.“
Für die Ende 2022 durchgeführte Studie „Europas Industrie im Wandel“ wurden 442 Führungskräfte in 19 europäischen Ländern befragt. Die Umfrageteilnehmer sind in Unternehmen mit einem Mindestumsatz von 40 Millionen Euro in den Branchen Automobil, Luftfahrt & Verteidigung, Maschinenbau, Medizintechnik, Chemie, Pharma und Nahrungsmittel beschäftigt. Die Studie steht unter diesem Link zum kostenlosen Download bereit.
Bitte: Studie lesen, nachdenken, analysieren und dann aber auch umsetzen!