Das nennt man wohl aus der Not eine Tugend machen: Hexagon präsentierte im letzten Jahr mit Nexus eine Plattform, in der sich neben den vielen, teils sehr unterschiedlichen, Hexagon-eigenen Softwarepaketen auch Fremdsoftware einbinden lässt. Nexus sorgt dann – wie in „sortenreinen“ Plattformen – dafür, dass die Daten zwischen den einzelnen Komponenten ausgetauscht und weiterverwendet werden können. Seit Ende Februar ist Nexus nun tatsächlich verfügbar – und das gleich in vier Ausprägungen beziehungsweise als Umsetzung von vier Prozessen.
Hexagon hat über die Jahre eine fast absurde Anzahl von Softwareanbietern aus den Bereichen CAM, Messtechnik und Simulation zusammengekauft und ich hatte schon letztes Jahr überlegt, wie das Unternehmen daraus Synergien entwickeln will. Ich hatte dann auf der Formnext ein interessantes Gespräch am Hexagon-Stand, bei dem mir gezeigt wurde, wie das Unternehmen seine Angebote entlang von Workflows sortiert und damit die Frage am Ende des letzten Artikels – wer weiß eigentlich, welche Funktion in welchem Paket schlummert – beantwortet: Hexagon selbst baut Best Practice-Prozessketten für die unterschiedlichsten Branchen und Anforderungen aus seinem Portfolio auf und verbindet diese über Nexus.
Die neue Plattform nutzt die neuesten Cloud-Technologien und gestattet globalen Teams, in Echtzeit über den gesamten Produktlebenszyklus hinweg zusammenzuarbeiten – von Design und Konstruktion bis hin zu Produktion und Qualitätssicherung. So hilft Nexus, Design- und Fertigungsprobleme zu lösen und die Markteinführung von Produkten zu beschleunigen.
Nexus ermöglicht dies durch die Verknüpfung von Geräten, Daten und Prozessen, um eine digitale Realität zu schaffen, in der Erkenntnisse in Echtzeit, im Kontext und an einem Ort verfügbar sind. So können besser informierte Entscheidungen getroffen werden. Die Kunden von Hexagon werden in der Lage sein, die Funktionen zu verbinden, die sie aus dem Portfolio von Hunderten von Softwareanwendungen und Geräten aus den Bereichen Design und Konstruktion, Produktion und Messtechnik sowie aus Technologien von Drittanbietern benötigen. Die ersten Lösungen für Nexus sind:
- Metrology Reporting, eine Nexus-App: Die App verbindet Messdatenquellen von Hexagon und Drittanbietern in der sicheren Cloud-Umgebung von Nexus, so dass Unternehmen jeder Größe sofort Berichte über bisher ungenutzte Qualitätskontrolldaten ihrer Anlagen erstellen können, um Trends zu erkennen und Toleranzprobleme zu identifizieren. Jeder Benutzer kann interaktive dreidimensionale CAD-basierte Berichte und aufschlussreiche Trenddarstellungen, KPIs und Compliance-Dokumente erstellen und aktuelle Daten mit Kollegen, Kunden oder Lieferanten austauschen.
- Materials Connect, eine Nexus App: Eine völlig neue, cloudbasierte Bibliothek für Materialdaten, die es Herstellern oder Materiallieferanten ermöglicht, Materialdaten, physikalische Testdaten und Verhaltensmodelle für den Einsatz in Computer Aided Engineering (CAE)-Workflows zu verwalten.
- Materials Enrich, eine Nexus App: Die App nutzt die maschinellen Lernfähigkeiten der Nexus-Plattform und cloudbeschleunigte Simulationen des Materialverhaltens, um Nutzern zu helfen, optimale Materialien zu finden und zu simulieren, die möglicherweise noch nie hergestellt oder gemessen wurden. Damit lassen sich die Leistung und Nachhaltigkeit von Produkten verbessern.
- Design for Additive Manufacturing (DfAM), eine Nexus-Lösung: Eine vorkonfigurierte Lösung, mit der Teams einfach und effizient gemeinsam ein optimales 3D-gedrucktes Metallteil entwickeln und es für einen erfolgreichen Druck mit dem Laser-Pulverbett-Fusionsverfahren (PBF) vorbereiten. Über das Web Interface von Nexus können Anwender die Prozesssimulationssoftware MSC Apex Generative Design und Simufact Additive von Hexagon mit AM Studio von CADS Additive und Materials Connect über die Cloud verbinden und den Benutzerzugriff auf Projekte einfach verwalten.
Prozesse wie DfAM werden traditionell isoliert durchgeführt – mit mindestens drei verschiedenen Ingenieuren und separaten Softwareanwendungen, die Probleme isoliert lösen. Dieser Mangel an Konnektivität kann zu kostspieligen und zeitaufwändigen manuellen Prozessen und dem Verlust wertvoller Daten führen. Mit Nexus werden diese Silos aufgelöst, so dass jeder am Prozess beteiligte Techniker auf die von ihm benötigte Desktop-Software zugreifen und seine Tools miteinander verbinden kann, um Probleme gemeinsam und in Echtzeit zu lösen.
Parth Joshi, Chief Product and Technology Officer für den Geschäftszweig Manufacturing Intelligence von Hexagon, erläutert: „Unternehmen auf der ganzen Welt verschieben die Grenzen der Innovation, und die Industrie 4.0 bringt immer mehr Werkzeuge, Technologien und Datenquellen ins Blickfeld. Die Branche hat jedoch ein Problem: Prozesse und Datenquellen sind oft isoliert, und die Teammitglieder haben Schwierigkeiten, interdisziplinär zusammenzuarbeiten. Dies hemmt den Fortschritt erheblich. Wenn Unternehmen die Vorteile der intelligenten Fertigung nutzen wollen, müssen wir unsere Arbeitsweise ändern. Mit Nexus verfolgen wir ein einfaches Ziel: Wir wollen innovative Köpfe über alle Disziplinen hinweg zusammenbringen und sie stärken. Indem wir das Fachwissen von Hexagon im Bereich Innovation nutzen und Menschen, Technologien und Daten miteinander verbinden, können wir Unternehmen helfen, Ideen schneller als je zuvor zum Leben zu erwecken. Wir sind gespannt darauf, was die Kunden ab heute mit der Technologie machen werden.“
Ein interessanter Aspekt an Nexus ist, dass es Zugriff auf ein umfangreiches Portfolio an Soft- und Hardware von Hexagon und seinem Partner-Ökosystem bietet und es Anwendern so ermöglicht, neue Lösungen zu finden. Zu den Partnern bei der Markteinführung zählt Oqton, das DfAM und ähnliche Vorproduktions-Workflows mit seinem Manufacturing Execution System (MES) verbinden wird. Damit können Anwender Vorlaufzeiten verbessern, Qualitätsprobleme lösen und Mitarbeiter unterstützen. Electronic Design Automation (EDA)-Anbieter Altium wird sein Portfolio ebenfalls mit Nexus verbinden, um Technikern einen besseren Einblick in die Entwicklung und Herstellung von Produkten mit elektronischen Systemen zu gestatten.
Ben Schrauwen, Gründer und SVP von Oqton, sagt: „Wir freuen uns, dass wir die MES-Funktionen und die IoT-Maschinenanbindung von Oqton in die Nexus-Plattform von Hexagon einbringen können. Wie Hexagon glauben wir fest an offene Plattformen und freuen uns, unseren Kunden die besten Tools auf dem Markt anbieten zu können, mit datengesteuerten Workflows in Echtzeit, die technische, Design- und Simulationsprozesse umfassen. Diese Plattform der nächsten Generation verbindet Design und Fertigung, um die Vorlaufzeit zu verkürzen und gleichzeitig die Ergebnisse und die Qualität zu verbessern.“
Für Altium spricht Chief Ecosystem Officer Ted Pawela:„Wir freuen uns sehr über die Partnerschaft mit Hexagon, um unsere Altium 365-Plattform mit Nexus zu verbinden – unser gemeinsames Engagement für Offenheit bedeutet, dass wir unseren Kunden schnell einen Zusatznutzen bieten können. Dadurch wird unsere Vision einer „intelligent designten“ Branchenlösung möglich, die Teams in die Lage versetzt, die Auswirkungen von Designentscheidungen früher zu bewerten, indem sie die umfassende Intelligenz nutzen, die Nexus und unser Altium 365-Lösungsökosystem über den gesamten Produktlebenszyklus hinweg bieten.“
Das Web-Interface bietet Zugriff auf die Lösungen mit einem einzigen Login und einer einzigen Nutzererfahrung. Nutzer können externe Benutzer auf die Plattform einladen, um Informationen auszutauschen, zum Beispiel, um mit einem Mausklick aktuelle „Live“-Trendberichte zur Messtechnik in die gesamte Lieferkette weiterzugeben. Je mehr Apps und Lösungen mit Nexus verbunden werden, desto einfacher wird es für Unternehmen, ihre Arbeitsweise zu verbessern und Probleme mit Kollegen im selben Unternehmen oder in der gesamten Lieferkette zu lösen. Für Nexus werden jeden Monat Dutzende neuer Apps, Lösungen und Portalfunktionen sowie Lokalisierungen bereitgestellt.
Nexus wurde entwickelt, um Unternehmen jeder Größe die Vorteile der Cloud zugänglich zu machen, ohne hohe Kosten, langwierige Systemintegration oder IT-Ausgaben zu verursachen. Da die Plattform Desktop- und Cloud-Tools miteinander verbindet, besteht keine Notwendigkeit, in die Cloud zu wechseln. Die Kunden müssen nur die Daten freigeben, die ihre Teammitglieder benötigen, wodurch die Leistung optimiert und das geistige Eigentum bei jedem Schritt geschützt wird. Die offene Architektur der Plattform erlaubt größeren Unternehmen, Teams miteinander zu vernetzen, indem sie Nexus mit den Plattformen ihrer jeweiligen Unternehmenssoftware verbinden, wobei sie dabei ihre etablierten Geschäfts- und Regulierungsprozesse beibehalten. Der digitale Faden wird bei Bedarf mit fehlenden Daten angereichert.
Ich finde diese Idee wirklich bestechend. Während die großen CAD-Hersteller Dassault Systèmes, PTC und Siemens an der Umsetzung und Erweiterung ihrer jeweiligen Plattformen arbeiten, bietet Hexagon mit Nexus eine sehr offene Plattform an. Das bringt den üblichen Zweiklang der Branche – „alles aus einer Hand“ oder „Best in Class“ – in die Welt der Plattformen. Wenn Hexagon es schafft, eine wirklich offene Plattform zu entwickeln, in der alle Anwendungen – eigene und fremde – gleichberechtigt nebeneinanderstehen, ist Nexus ein wirklich extrem interessantes Angebot, auch mit seiner hybriden Gestaltung aus Desktopanwendungen und Cloud-Datenbackbone.