Während manche den direkt bevorstehenden Untergang der deutschen Industrie herbeireden – abwechselnd hervorgerufen von Klimaaktivisten, Heizungsgesetzen, Gasabdrehern oder einfach „denen da oben“, zeigen die Kennzahlen lediglich einen leichten Abschwung – der vor allem dem weltweiten Trend folgt, im Inland geht es sogar etwas aufwärts. Auf längere Sicht hat Deutschland allerdings gewaltige Hausaufgaben – neben dem klimaneutralen Umbau der Wirtschaft sind sicherlich die Digitalisierung und der Fachkräftemangel die bestimmenden Themen der Unternehmensführung in den nächsten Jahren. Eine aktuelle Studie von Protolabs bietet zu den beiden letzteren Themen interessante Einblicke. Sie bescheinigt deutschen Unternehmen einen proaktiven Ansatz hinsichtlich Innovationen – traditionelle Einstellungen zur Arbeitskultur und eine starre Vorstellung bei der Zusammenarbeit mit Partnern hemmen allerdings den Fortschritt.
Die von Protolabs in Auftrag gegebene Studie zeigt den zunehmenden Spagat zwischen Innovationskraft und Tradition deutscher Unternehmen auf. Die Studie „Die Balance der Innovation: Die Zukunft der Fertigung entschlüsseln“ wurde in Partnerschaft mit der B2B-Marktforschungs- und Thought-Leadership-Agentur FT Longitude durchgeführt. Im Zuge der europaweiten Befragung wurden auch dediziert die Antworten deutscher Fachkräfte aus der Fertigungsindustrie untersucht und mit Blick auf die Innovationskraft, die Einstellung zur Zusammenarbeit mit Partnern und Dritten, den Fachkräftemangel sowie die Einstellung zur Arbeitsweise hierzulande analysiert.
Genügend Ressourcen, um innovativ zu sein
Während deutschen Unternehmen oftmals die Stärke und Kraft zur Innovation abgeredet wird, legen die Ergebnisse der Studie nahe, dass die Wahrheit durchweg anders aussieht. Insbesondere im Vergleich mit anderen europäischen Ländern fällt auf, dass deutsche Unternehmen wesentlich stärker darauf achten, die eigene Innovationskraft so gut wie möglich zu stärken und auf einem soliden Fundament aufzubauen. Für 75 Prozent der Befragten steht so die Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen an vorderster Stelle. Zudem gaben 51 Prozent der Befragten an, vorrangig Budget für Innovationen einzuräumen. Darüber hinaus greifen 46 Prozent auch auf bestehende Betriebs- und Kundendaten zur Entwicklung einer umfassenden Innovationsstrategie zurück.
„Diese Konzentration auf Innovationen und neue Ansätze zeigt deutlich, dass Produktion und Fertigung sich an die schwierigen Rahmenbedingungen der aktuellen Wirtschaftslage angepasst und erkannt haben, dass ansonsten Stillstand herrscht“, erklärt Björn Klaas, Vice President und Managing Director bei Protolabs Europe. „Befragte anderer Länder haben hier wesentlich andere Schwerpunkte – etwa in Großbritannien, wo Kostensenkungen mit 77 Prozent Zustimmung deutlich im Vordergrund stehen. Der deutsche Fokus auf Innovationen ist zukunftsgewandt und lässt auch für die nächsten Jahre einen aktiven Kurs in Richtung neuer Prozesse und Produkte erkennen.“
Traditionelles Arbeitsverständnis als Hemmnis
Während für deutsche Entscheider und Verantwortliche klar ist, dass Innovationen ein wesentlicher Bestandteil der Zukunftsstrategie sein müssen, zeigt die Studie von Protolabs auf der anderen Seite eindeutig auf, dass hierzulande ein traditionelles Verständnis von Arbeitskultur vorherrscht. Sowohl mit Blick auf Arbeitsort wie auch auf Arbeitswoche verhalten sich deutsche Unternehmen vergleichsweise zurückhaltend. So gaben beispielsweise 62 Prozent der Umfrageteilnehmenden und an, dass lediglich eine Fünf-Tage-Woche im Betrieb ein optimales Umfeld für Innovationskraft im Unternehmen darstellt – nur 29 Prozent der Befragten befürworteten eine Vier-Tage-Woche als treibende Kraft, um sich als Unternehmen stärker positionieren zu können.
Das Festhalten an der traditionellen Arbeitsumgebung im Betrieb – also eine klare Distanzierung zu Homeoffice-Modellen jedweder Art – fand hierzulande im europäischen Vergleich den höchsten Zustimmungswert. Ganze 58 Prozent der Befragten bekannten sich zum klassischen Modell – und legen damit ein klares Bekenntnis zu prä-pandemischen Traditionen ab. „Es scheint, als wäre das kurze Intermezzo der Homeoffice-Zeiten – zumindest in Produktions- und Fertigungsunternehmen – schneller verpufft als erwartet“, kommentiert Björn Klaas. „Diese Ablehnung von Homeoffice Modellen und modernen Konzepten wie der Vier-Tage Woche ist in Europa einzigartig. Das kann als potenzieller Wettbewerbsnachteil im Kampf und Talente und Fachkräfte gesehen werden.“
Zögern bei Kollaboration & Herausforderung Fachkräftemangel
Besonders bedenklich ist diese Erkenntnis vor dem Hintergrund, dass der Fachkräftemangel in Deutschland von den Befragten als eines der Haupthindernisse für die Innovationskraft in Unternehmen definiert wird. Während 44 Prozent dieser Aussage im Rahmen der Umfrage zustimmten, liegt ein weitaus größeres Problem allerdings in der Offenheit deutscher Unternehmen, mit Dritten und Partnern zusammenzuarbeiten. Insbesondere mit Blick auf andere europäische Länder herrscht beim Themenbereich Kollaboration noch erheblicher Nachholbedarf. Lediglich 37 Prozent der Umfrageteilnehmenden gaben hierzu an, gut aufgestellt zu sein.
Auch Björn Klaas sieht hier noch Aufholbedarf: „In Zeiten, in denen Produktion und Fertigung durch neue Technologien, Werkstoffe und Verfahren immer komplexer werden, ist die Zusammenarbeit mit Spezialisten unabdingbar. Dass deutsche Unternehmen hier zu zögerlich agieren, kann als Hindernis im Wettkampf um die besten Innovationen gesehen werden. Insbesondere bei der Herstellung von Prototypen können Unternehmen wie Protolabs die Industrie dabei unterstützen, kürzere Iterationszeiten und schnellere Markteinführungen zu erreichen. Diese verpasste Chance kann auch langfristig gesehen erheblichen Einfluss auf die Konkurrenzfähigkeit nehmen – und sollte neben dem Fachkräftemangel und einer auf Traditionen fixierten Unternehmenskultur als ernstzunehmendes Risiko erkannt und überdacht werden.“
Technisch innovativ, im Bereich der Mitarbeiterführung konservativ – ich glaube ja, dass diese Art der Unternehmensführung sich in deutschen Unternehmen so oft findet, weil hierzulande der familiengeführte Mittelstand so stark ist. Inhaber, die dem Leitbild des traditionellen Firmenpatriarchen folgen, haben oft keine gute Meinung von Homeoffice und anderen neuen Arbeitsformen, die stark auf Vertrauen statt Kontrolle setzen. Mit der Übergabe an jüngere Generationen wird sich dies hoffentlich wandeln – die jüngere Generation hat andere Ansichten, wie ein gedeihliches Zusammenarbeiten funktionieren sollte, weniger Hierarchie, mehr Teamarbeit und Mitsprache. Ich bin sehr optimistisch, dass die deutschen Firmenlenker auch diese Kurve meistern.