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Entwicklungssoftware: Was ist wichtiger? Verwalten oder Gestalten?

Ein Kommentar meines verehrten Kollegen unter meinem -Nachbericht, Hinweisschilder im Allgäu und Musik auf Weihnachtsmärkten – was hat das miteinander zu tun? Auf den ersten Blick wenig, auf den zweiten Blick brachte es mich zum Nachdenken über die Richtung, in die wir insgesamt unterwegs sind. Gerät uns nicht allzu oft das eigentliche Ziel unserer Bemühungen aus dem Blick – durch Nebenthemen, Gerechtigkeits- und Kontrollbemühungen? Ich finde, wir als Gesellschaft und als Wirtschaft müssen mehr Vielfalt zulassen, mehr pragmatische Lösungen erlauben und uns auf und Ziele fokussieren statt auf Bedenken.

Rittal, Eplan, Cideon und German Edge Cloud auf der SPS
Prozessketten über mehrere SPS-Messestände hinweg bei , , und German Edge Cloud (Bild: Rittal).

In meinem Bericht zur SPS beklagte ich, dass der „Softwarebereich unterrepräsentiert“ sei – und präzisierte dies auf den CAx/PLM-Bereich, den ich heute unter „digitale Produktentwicklung“ zusammenfasse. Auf LinkedIn kommentierte Uli Sendler dazu:

Lieber Ralf Steck,
Deine Einschätzung „Softwarebereich unterrepräsentiert“ stimmt, wenn Du die „alte“ Software meinst. Sie stimmt nicht, wenn Du auch die Software in diesem Bereich siehst, die von der Industrie selbst gebaut wird. Vom digitalen Zwilling bis zu kompletter Produktionssteuerung. Beispiele: Rittal GmbH & Co. KG und die ganze Loh Group mit ONCITE DPS, Bosch Rexroth mit ctrlX Phoenix Contact mit PLCnext, Weidmüller mit easyConnect.
Die kommt viel stärker aus der Industrie selbst als von den gestandenen IT-Anbietern. Und damit wird der Softwarebereich größer und nicht kleiner.

Er hat ja grundsätzlich recht, allerdings habe ich so mein Problem mit dem Terminus „alte Software“. Ich antwortete dementsprechend:

Lieber Ulli,
die Loh Group habe ich ausdrücklich gelobt und ja, ich sehe nach wie vor /PLM als Basis für alles andere. „Alte Software“ finde ich ziemlich seltsam, ohne 3D-Modell gibt es keinen digitalen Zwilling. Irgendwer muss auch noch die Basisarbeit gemachen, damit darauf Lösungen gebaut werden können.
Und dass jeder Anbieter seine eigene kleine Softwarewelt baut, kann ja auch nicht der Weisheit letzter Schluss sein.

Mit „kleiner Softwarewelt“ meinte ich dabei nicht die absolute Größe, sondern die Tatsache, dass es sich um Lösungen handelt, die auf einen oder wenige Hersteller und deren Lösungen ausgerichtet sind – und zudem auf ganz bestimmte Anwendungsfälle, die von den Lösungen der jeweiligen Hersteller eben unterstützt werden. Ich möchte dies am Beispiel der Loh Group zeugen: Cideon, Eplan und Rittal haben eine tolle Lösung entwickelt, um direkt aus der Elektrik/Elektronikentwicklung (E/E) heraus den Inhalt des Schaltschranks zu definieren und darauf aufbauend die Schaltschrankfertigung zu digitalisieren. Alles schön und gut und ein Vorbild durchgehender Digitalisierung – aber eben nur im Schaltschrankbau mit Rittal-Schaltschränken.

Nun ist der Schaltschrank üblicherweise aber kein Produkt an sich – und damit auch nur ein Teil des Gesamtprojekts und des digitalen Zwillings. Das eigentliche, übergeordnete Produkt ist nun einmal die Maschine, in der dieser Schaltschrank eine wichtige, aber nicht die einzige Rolle spielt. Und insofern ist in meinem Verständnis die 3D-Modellierung alles andere als „alte“ Software, sondern die Basis für Innovation und für das eigentliche, physikalische Produkt. Ja, CAD-Software ist mehr oder weniger ausentwickelt und nicht mehr der Treiber der Industrie. Trotzdem ist sie die Basis und in meinem Verständnis der Nukleus allen Engineerings. Vor allem ist eine gute Entwicklungsumgebung nicht von einem Komponentenlieferanten abhängig, sondern bietet durch offene Schnittstellen und offene Kataloge die Möglichkeit, sich dort zu bedienen, wo es Sinn macht. Dass im späteren Prozess – und auf Basis der CAD-Daten – die oben von Uli genannten Automatisierungslösungen eine wichtige Rolle spielen, ist übrigens ebenso klar.

Man mag nun argumentieren, dass CAD nur noch einer von mehreren Lieferanten für die Produktdaten ist und die eigentliche Innovation im , im Drechseln immer detaillierter ausgefeilter Anforderungskataloge und in der Verwaltung dieser Requirements liegt. Ich halte dagegen: Allen Requirements zum Trotz und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Mechanik nur noch eine von mehreren Disziplinen neben E/E und Software ist – am Ende ist das Ziel – meist – ein physikalisch berührbares Produkt und das will nun einmal dreidimensional konstruiert und designt werden.

Ja, ein Smartphone ist nichts ohne die Apps, die darauf laufen, aber die Apps laufen eben auch nicht ohne die Hardware. Und wenn das Smartphone hässlich ist, schlecht in der Hand liegt und unzuverlässig funktioniert, wird es auch kein Verkaufserfolg werden. In meiner Welt ist das Erschaffen, Herstellen und Verkaufen von Produkten immer noch das Ziel der Industrie – und nicht das Requirements Management, Projekt- oder Produktmanagement. Gerade in kleinen und mittleren Unternehmen steht das „Schaffen“ im Vordergrund – die überbordende Bürokratie in Form theoretisch toll ausgestalteter Verwaltungskonzepte können sich eher die Konzerne leisten.

Und was hat das nun mit den Autobahn Hinweisschildern für das Württembergische Allgäu und der musikalischen Untermalung auf Weihnachtsmärkten zu tun? Nun, auch dort ist das Ziel aus den Augen verloren gegangen und Vorschriften verhindern pragmatische Lösungen. Die Hinweisschilder mit den 13 grasenden Kühen – und einige weitere, die auf regionale Sehenswürdigkeiten hinweisen – sind in die Jahre gekommen und müssen ausgetauscht werden. Weil sich aber inzwischen die Regularien geändert wurden, kann nicht einfach die beschädigte Folie ausgetauscht werden. Sondern es müssen größere Schilder angefertigt und damit Halterungen und Fundamente ebenfalls erneuert werden.

Württembergisches Allgäu
Immer eine Reise wert: Das württembergische Allgäu (Bild: Wikimedia, Andreas Praefcke).

Das Ende des Lieds wird wohl sein, dass die Schilder ab- und nicht mehr aufgebaut werden – und damit die Werbung für die schöne Allgäuregion verschwindet. Das trifft den regionalen Tourismus, dessen Einnahmen wiederum durch Versteuerung erst die Bürokraten ernährt, die hier so weitsichtig agieren.

Gleiches Bild bei den Weihnachtsmärkten: Hier sehen sich die Kommunen Forderungen der GEMA gegenüber, die statt wie früher vierstellig nun fünfstellig sind – nicht, weil die Sätze erhöht wurden, sondern weil die GEMA die Fläche der Weihnachtsmärkte neu vermessen hat. Auch hier werden nicht höhere Einnahmen am Ende der Aktion stehen – was ja durchaus im Sinne der Komponisten und Musiker wäre, die von den Einnahmen der GEMA profitieren – sondern die Weihnachtsmärkte werden ohne Musik stattfinden und die GEMA geht am Ende komplett leer aus. Der Spatz in der Hand und die Taube auf dem Dach – da war doch was, oder?

Was soll mein Rant nun aussagen? Wir sollten uns auf Ziele konzentrieren und Innovationen nicht durch allzu viele Vorschriften und deren buchstabengetreue Auslegung behindern. So sehr wir Maschinenbauer auch Fans von Regularien sind – wenn es beispielsweise um Normen geht – so ist es doch die Kunst des Entwickelns und Konstruierens, sich von diesen Regularien nicht ausbremsen zu lassen, sondern auf deren Basis Neues zu schaffen und im Zweifel auch mal das einengende Korsett der Normung zu verlassen – wenn es zu Innovation führt. Kreativität braucht Freiheit und ein Fundament, auf der sie gedeihen kann.

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