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Siemens PLM Connection 2024: Eine Veranstaltung von Anwendern für Anwender

Mitte Juni fand im Lufthansa Konferenzzentrum Seeheim die Siemens PLM Connection 2024 statt, die der deutschsprachigen Anwender-Community von Digital Industries Software – nur eine Woche nach der Siemens Realize LIVE Europe 2024 in München. Schlechtes Timing, könnte man meinen, doch nicht nur die Organisatoren, sondern auch viele Aussteller sahen das anders: Beide Veranstaltungen seien sowohl vom Publikum als auch von den Themen her eher komplementär.

Knapp 650 Teilnehmer besuchten die 2024 in Seeheim, weitere über 200 waren online dabei (Alle Bilder: Benjamin Stephan).

Während sich die von Siemens in diesem Jahr in München ausgerichteten Realize LIVE Europe mehr an die Entscheider aus größeren Unternehmen richtet, treffen sich in Seeheim vor allem mittelständische Vertreter aus den IT- und Fachabteilungen, die sich mit der Umsetzung beschäftigen und nach Lösungen für ihre täglichen Probleme suchen. Ganz stimme das allerdings nicht, meinte Tim Behnke, erster Vorsitzender der PLM Benutzergruppe e.V., die die Veranstaltung in Seeheim ehrenamtlich organisiert. „Wir haben auch hier durchaus Geschäftsführer größerer mittelständischer Unternehmen und andere C-Level-Entscheider.“

Mit knapp 850 Teilnehmerinnen und Teilnehmern, von denen etwa ein Viertel die Vorträge online verfolgte, war die zweitägige Veranstaltung im Lufthansa Konferenzzentrum gut besucht – wenn auch nicht ganz so gut wie vor der Pandemie, als es das hybride Format noch nicht gab. 31 Software-Hersteller und Dienstleister zeigten in der begleitenden Ausstellung ihre Produkte und Lösungen. Behnke schätzt, dass es im nächsten Jahr, wenn die Realize LIVE Europe in Amsterdam stattfindet, noch ein paar mehr sein werden. Insbesondere die deutschen Siemens-Partner gehen dann lieber nach Seeheim, weil ihre Kunden dorthin einfacher reisen können.

Gold-Sponsoren der diesjährigen PLM Connection waren die Firmen Intelizign, MAIT Gruppe und d.u.h Group. Intelizign, ein großes indisches Dienstleistungsunternehmen, das allein in Deutschland 150 Berater*innen und Solution Architects beschäftigt, unterstützt namhafte Kunden wie BMW oder Daimler Truck bei PLM-Einführung, Migrationen, Anwendungsentwicklung und der Betreuung ihrer IT-Anwendungen. MAIT ist der neue Name des Siemens-Partners , der vor kurzem die ISAP AG übernommen hat. Mit inzwischen 900 Mitarbeitenden bietet die Gruppe ihren Kunden neben PLM- und ERP-Lösungen auch IT-Infrastruktur und Managed Services an. Die d.u.h. Group bündelt die Marken Conmatix, CAE Innovative Engineers, CAE Innovative Design und NeXeo und ist einer der führenden Siemens-Partner im Schulungsbereich und in den Bereichen und Simulation.

Auf dem Weg in das Metaverse

Tim Behnke, erster Vorsitzender der PLM Benutzergruppe e.V.

Obwohl die PLM Benutzergruppe seit Ende der 1980er Jahre von Siemens unabhängig ist, ist der Software-Hersteller auf der Veranstaltung ein gern gesehener Gast. Eigentlich sollte Klaus Löckel, CEO DACH bei , die Auftakt-Keynote über die Meilensteine der SaaS-Transformation und den Weg in die halten, aber er landete streikbedingt verspätet in Frankfurt, weshalb zunächst Nico Michels das Wort ergriff. Schlüsselfaktor des , das bei „Kunde Null“ in der Siemens-Fabrik in Erlangen bereits produktiv genutzt werde, sei der digitale Zwilling, sagte Michels. Siemens habe sich in letzter Zeit darauf konzentriert, die Software in den digitalen Zwilling einzubauen, und sei dadurch in der Lage, die Entwicklung smarter Produkte zu unterstützen, griff Löckel den Ball nach seiner Ankunft auf. Neuste Entwicklung sei die Verwaltungsschale (Asset Administration Shell oder AAS), mit der versucht werde, den digitalen Zwilling über die Wertschöpfungskette zu transportieren.

In einer zweiten Keynote erläuterten Nico Michels und Pina Schlombs, wie das Thema so in den Unternehmen verankert werden kann, dass es zur Grundlage für den Unternehmenserfolg wird. Es gehe nicht nur um das Reporting, sondern auch darum, die Nachhaltigkeit zu optimieren, so Schlombs. Zu 80 Prozent werde sie in der Entwicklung festgelegt; deshalb müsse sie von Anfang an in die IT-Systeme eingebettet werden.

Zum Auftakt des zweiten Tages stand dann erstmals eine Keynote auf dem Programm, die sich mit dem Thema CAM beschäftigte. „Mit dem digitalen Zwilling der Werkzeugmaschine die revolutionieren“, lautete der Titel des Vortrags, in dem Dominik Köhler (Hanomag Aluminium Solutions) und André Fehn (d.u.h. Group) erläuterten, wie der Automobilzulieferer die Einfahrzeiten bei der Bearbeitung komplexer Aluminiumteile um bis zu 85 Prozent verkürzt hat. Erfolgsgeheimnis ist die Kombination von NC-Programmierung mit NX CAM und der virtuellen Maschinensteuerung VNCK, die genauso funktioniert wie eine Sinumerik-Steuerung. Dadurch ist es möglich, die Bearbeitung vollständig an einem digitalen Zwilling der Maschine einzufahren.

Neue Arbeitsgruppe zum Thema BIM

Während Siemens dem Markt mit Zukunftsthemen wie Metaverse, Nachhaltigkeit, Artificial Intelligence (AI) oder Digital Thread vorauseilt, beschäftigen sich die Vorträge der verschiedenen SIGs mit den Visionen von gestern, wie Behnke sagte: „Das sind ganz klar Model Based Definition (MBD) in allen seinen Ausprägungen und Model Based Systems Engineering (MBSE). Ein drittes Thema, das die Teilnehmer aktuell sehr interessiert, ist das Variantenmanagement, sowohl aus Sicht von Teamcenter, Stichwort Konfigurator, als auch aus CAD-Sicht. Dazu haben wir mehrere Vorträge geclustert, um das Thema ganzheitlich zu beleuchten “

Auch die Ausstellung bot viel Information und Gelegenheit zum Austausch.

Insgesamt standen mehr als 80 Vorträge und Workshops auf der Agenda der PLM Connection. Ihre Qualität sei besser als die manch anderer Siemens-Veranstaltung, meinte Behnke, auch wenn das natürlich die Teilnehmer selbst beurteilen müssten. Dazu hätten sie sich allerdings teilen müssen, denn zeitweise liefen bis zu 11 Vorträge und Workshops parallel. Da alle Vorträge aufgezeichnet wurden, kann man sie sich aber auch im Nachgang ansehen.

Im kommenden Jahr werden es tendenziell noch mehr werden, denn die PLM Benutzergruppe will eine neue SIG zum Thema Building Information Modeling (BIM) integrieren, wie Behnke zum Auftakt der Veranstaltung ankündigte. Grund ist der, dass sich Siemens zunehmend für das Bauingenieurwesen öffnet, nicht nur im Tief- sondern auch im Hochbau. Mit BIM Structures gibt es ein neues NX-Modul, das es Haustechnik- oder Medizintechnikherstellern ermöglicht, beim Einbau ihrer Produkte in Gebäude mit BIM-Daten umzugehen. „Nicht nur die Produkte, sondern auch die Fertigungsanlagen und Gebäude verschmelzen zu einem digitalen Zwilling“, sagt Behnke. „Deshalb ist es nur folgerichtig, dass wir den Kollegen hier ein neues Zuhause geben.“

Kritische Stimmen erwünscht bei der Siemens PLM Connection

Das wichtigste Highlight der PLM Connection sei der Spirit der Veranstaltung und ihr familiärer Charakter, betonte Behnke: “Es ist eine Veranstaltung von Anwendern für Anwendern, auf der kritische Stimmen durchaus erwünscht sind. Wir leben ein konstruktives Miteinander mit dem Hersteller, das Siemens wichtige Impulse für die Produktentwicklung gibt. Gerade die deutsche Siemens-Organisation hat erkannt, dass die Veranstaltung für sie einen großen Nutzen hat, weil die Produktmanager hier in einem ganz anderen Ökosystem agieren. Und für uns hat es den Vorteil, dass wir den direkten Draht zum Presales haben und kritische Themen auf den Tisch bringen können.“

Kritik kam aus den Special Interest Groups (SIGs) des Vereins in den letzten Jahren beispielsweise am Continuous Release-Konzept für NX in Verbindung mit den kurzen Wartungszyklen. Es zwingt die Kunden dazu, innerhalb eines Jahres einen Releasewechsel durchzuführen, um nicht aus der Wartung zu fallen. Das sei gerade für größere Unternehmen, die vielleicht auch Drittanwendungen einsetzen, schwer zu stemmen, meinte Behnke. „Kritisiert wird auch das aktuelle Lizenzmodell: Siemens forciert massiv den Umstieg auf das hybride SaaS-Modell in der Cloud, was vor allem von Kunden hinterfragt wird, die gerade eine größere Investition in den Kauf von Lizenzen getätigt haben.“

Kritische Stimmen gab es in diesem Jahr auch aus dem Plenum der PLM Connection. In seiner Keynote über PLM und die Grundlagen der Digitalisierung des Engineerings zeigte Prof. Dr.Ing Martin Eigner nicht nur die Vorteile des PLM-Einsatzes für die Digitalisierung auf. Er erwähnte auch die Nachteile des bisherigen PLM-Verständnisses, das die Philosophie eines durchgängigen Product Lifecycle Managements mit einer PLM-Lösung, nach Möglichkeit aus der Hand eines Herstellers, verwechselt. Es fehle immer noch die Integration der gesamten Strecke von CRM über PLM und ERP bis zum Supply Chain Management und die durchgängige Unterstützung von Prozessen wie Change oder Configuration Management.

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